Flensburg will dein Engagement und macht es möglich! Werkzeuge, News, Informationen uvm. für Vereine und Ehrenamtliche (und solche, die es noch werden wollen).

Flensburg will dein Engagement und macht es möglich! Werkzeuge, News, Informationen uvm. für Vereine und Ehrenamtliche (und solche, die es noch werden wollen).

Bunte und individuelle Erfahrungen

„Wir haben da eine Idee. Haben Sie Lust auf ein eigenes kleines Projekt?“ Ich sitze mit Pia Lindemann zusammen im Haupthaus des Holländerhofes. Sie leitet den Bereich Wohnen der Einrichtung für Menschen mit körperlichen und geistigen Behinderungen. Ich habe per Mail angefragt, ob ich hier einen meiner Engagement-Monate verbringen darf. Aber gleich ein eigenes Projekt?

Pia Lindemann erzählt, dass der Holländerhof im März 2019 eine neue Wohnstätte eröffnet hat, die RiWa – für Richard-Wagner-Straße. An den Wänden der RiWa ist es allerdings noch reichlich kahl. Besonders in den beiden Wohnküchen soll es noch etwas wohnlicher werden. Hier treffen sich die Bewohnerinnen und Bewohner zum Fernsehen, Teetrinken, individuellen Abendbrot oder einfach zum Reden. Die Idee: Ich biete einen Kreativ-Workshop an, in dem die Bewohnerinnen und Bewohner Leinwandbilder gestalten, die dann in der RiWa ihren Platz finden.

Ich bastele gern und habe etliche Boxen mit Bastelsachen im Regal stehen. Aber irgendwie komme ich selten dazu, und überhaupt macht Basteln in Gesellschaft viel mehr Spaß. Meine Zweifel, ob ich der Zielgruppe gerecht werden kann, schiebe ich erstmal beiseite und sage zu. Wir vereinbaren zwei Sonntage, an denen die Workshops stattfinden sollen, und dann folgt mein erster Besuch in der RiWa: Ich soll „mein Projekt“ auf der Bewohnerversammlung vorstellen.

Ich bin aufgeregt. Kann ich mich für alle verständlich ausdrücken? Und verstehe ich sie? Lassen die Bewohner sich auf mich ein? Haben überhaupt welche Lust, mitzumachen?

Im Eingangsbereich sitzen ein paar Männer und Frauen. Manche machen Geräusche, die ich nicht zuordnen kann, andere stehen plötzlich auf, gehen scheinbar ziellos umher, andere gucken mich neugierig an. Eine junge Frau fragt mich, wohin ich möchte und holt eine Betreuerin, als ich ihr sage, dass ich heute als Gast hier bin.

Auf der Versammlung melden sich gleich eine Handvoll Interessierte für mein Projekt. Nach einer Stunde sind meine ersten Bedenken verschwunden. Die Einrichtung ist mir von Anfang an sympathisch. Die Atmosphäre erinnert mich an meine ersten Studenten-WGs, und für die Kreativzeit steht mir eine Betreuerin zur Seite.

Die Workshops sind vor allem eines: sehr bunt! Zusammen mit der Betreuerin malen wir einem Bewohner die Handinnenflächen mit Fingerfarbe an und er drückt sie auf die Leinwand, bevor er den Rest der Fläche mit Farbe und ausgeschnittenen Herzen gestaltet. Eine andere Bewohnerin stempelt mit meinen Buchstabenstempeln akribisch die Namen aller Bewohnerinnen und Bewohner auf ihre Leinwand. Es wird geklebt, gestempelt, mit Pinsel und Händen gemalt.

Wenn es um Wörter geht, brauchen einige Unterstützung beim Buchstabieren. Zum Glück fragen die meisten auch gezielt danach, denn eines merke ich schnell: Wer was kann, ist individuell extrem unterschiedlich. Überhaupt habe ich den Eindruck, als wären die Menschen hier viel individueller als die meisten, die ich sonst kenne. Nach kurzer Zeit kann ich mir alle Namen merken – etwas, das mir sonst als Dozentin häufig noch nach zwei Seminartagen schwerfällt. Das Bedürfnis oder die Fähigkeit, sich anzupassen, ist weniger ausgeprägt. Aufzufallen ist hier normal. Das ist anstrengend, aber auch entspannend. Und als im Speisesaal Musik läuft und ein junger Mann mich plötzlich am Arm festhält, wiegen wir uns ein bisschen, als würden wir tanzen. Als er mich genauso unerwartet wieder loslässt, bin ich fast ein bisschen enttäuscht.

Nach zwei Workshoptagen und einer Vernissage, bei der wir alle zusammen einen Platz für jedes Bild suchen, bin ich froh, entgegen aller anfänglicher Bedenken zugesagt zu haben. Natürlich gab es auch traurige und kritische Momente, zum Beispiel, wenn Bewohner von ihren individuellen Schicksalen oder negativen Erfahrungen erzählen. Oder wenn ich gemerkt habe, dass ich einige einfach nicht so gut verstehe, wie ich es gerne würde. Aber mal ehrlich: Das geht mir auch mit Menschen ohne Behinderungen manchmal so.

Also: Wem jetzt einfällt, dass er auch noch verwaiste Bastelsachen zuhause hat, wer gern mit anderen Musik oder Sport macht oder einfach Lust hat, gemeinsam etwas zu unternehmen, kann ja mal im Holländerhof nachfragen. Vielleicht gibt es ja Bedarf an weiteren kleinen Projekten.

Auf dem Laufenden bleiben

Trage dich unten in den Newsletter ein oder folge uns auf Facebook und Instagram.