In Zeiten, in denen die persönlichen sozialen Kontakte auf ein Minimum reduziert werden müssen, zeigen die Flensburger wieder einmal, dass sie zusammenstehen. Ob auf facebook oder über andere Portale: Menschen helfen Menschen, nicht nur denen aus den sogenannten Risikogruppen. Sei es durch Fensterkonzerte oder Einkaufshilfen.
Auch die Stadt hat kurzfristig eine Koordinierungsaufgabe für nachbarschaftliche Hilfe übernommen. Da ich gerade etwas mehr Zeit habe und nicht zur Risikogruppe gehöre, habe ich mich gemeldet.
Einen Tag später kam der erste Anruf: Eine ältere Dame aus meinem Stadtteil bräuchte jemanden, der für sie einkauft. Klar. Mache ich gern! Mein Mann ist auch gleich dabei.
Inzwischen gehen wir für vier Menschen einkaufen – privat und über die städtische Nachbarschaftshilfe. Alle gehören aus unterschiedlichen Gründen zur Risikogruppe. Sie schicken uns ihre Einkaufszettel per WhatsApp, Mail oder geben sie uns telefonisch durch. Wir finden eine Lösung für die Bezahlung der Waren, kaufen ein und bringen den Einkauf bis vor die Tür.
Wir freuen uns, dass wir so unkompliziert helfen können. Das ist ein gutes Gefühl!
Aber wie ist es eigentlich für die anderen?
Während meines Engagement-Projektes war ich unter anderem bei der Tafel, im Sozialkaufhaus und bei der Flensburger Flüchtlingshilfe. Aber erst jetzt, als ich den ersten diktierten Einkaufszettel vor mir sehe, frage ich mich, wie ich mich fühlen würde, wenn ich „auf der anderen Seite“ des freiwilligen Engagements stünde.
Ein einfacher Einkaufszettel kommt mir auf einmal so persönlich vor. Daran lassen sich Gewohnheiten ablesen und manchmal auch finanzielle Ressourcen. Dabei ist es nur ein Einkaufszettel. Andere Menschen, die auf freiwillige Unterstützung angewiesen sind, müssen oft so viel mehr von sich preisgeben.
Und nicht nur das: Freiwilliges Engagement ist freiwillig. Wir sind es gewohnt, für Leistung zu bezahlen oder aber einen gesetzlichen Anspruch darauf zu haben. Beim freiwilligen Engagement fehlt beides. Es gibt keinen gesicherten Anspruch auf freiwillig erbrachte Leistungen und es wird nicht bezahlt. Schnell kann dann das Bedürfnis entstehen, sich als Unterstützungsempfänger*in anders zu revanchieren. Aber wie?
Ich finde, die beste Lösung ist ein aufrichtiges „Danke!“. Das ist aber auch leicht zu sagen, wenn man auf der Geber*innenseite steht.
Ich helfe gern, aber wer lässt sich schon gern helfen? Ich selbst jedenfalls bin darin nicht besonders gut.
Und warum ist es ausgerechnet der Einkaufszettel, der mich so berührt?
Ich denke, weil er ein Stück aus meinem eigenen Alltag ist …
Nachbarschaftshilfe-Hotline: 0461 85-2407 (Mo-Fr, 8.30-14 Uhr)